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Jeremy Salt The Last Ottoman Wars: The Human Cost, 1877-1923

Rezensiert für Forschungseinrichtung für Mezalim (FEM) von Ilker Akgül

In seinem Buch „The Last Ottoman Wars: The Human Cost, 1877-1923“ behandelt Prof. Jeremy Salt das Leid der unterschiedlichen Völker im Zuge der Agonie des Osmanischen Reichs. Dabei wirft er ein besonderes Augenmerk auf die Auswirkungen der Kriege auf die osmanischen Muslime. Das Buch besteht aus einer Einleitung, vier Hauptkapiteln mit mehreren Unterkapiteln und einem Epilog. Jeremy Salt beschreibt zu Beginn die finanziellen Probleme und dessen Einfluss auf die osmanische Politik und widmet sich der Gesellschaftsstruktur am Ende des 19. Jahrhunderts. Dabei wirft er einen Blick auf die Orientpolitik der Großmächte, die Reformpolitik des Sultans und die Reaktionen der unterschiedlichen religiösen und ethnischen Gruppen. Er gibt einen wichtigen Einblick in die Konflikte zwischen Kurden und Armeniern, sowie den armenischen Aufständen am Ende des 19. Jahrhunderts.

Das zweite Kapitel beginnt und endet mit der Beschreibung der Flucht und Vertreibung der muslimischen Osmanen zwischen 1877 und dem Beginn des Ersten Weltkriegs. Diese wichtigen demografischen, politischen und territorialen Veränderungen dienen dem besseren Verständnis für den letzten großen osmanischen Krieg. Während die jungtürkische Revolution 1908 noch Hoffnung für den Fortbestand des Reichs weckte, wurde dieser durch die Realität eingeholt. Die Schlacht von Tripolis (1911) und die zwei Balkankriege (1912/13) beendeten die osmanische Herrschaft über Nordafrika und Europa. Bis auf einen kleinen Teil Ostthrakiens hatte das Reich somit wichtige Provinzen verloren.

Wie ist der Beginn des Ersten Weltkriegs aus osmanischer Sicht zu deuten? Aus osmanischer Sicht sollte man die Zeit zwischen 1911 und 1923 als einen zusammenhängenden langen Krieg betrachten. Vor Beginn des Ersten Weltkriegs hatte das Reich zwar versucht, das Militär und den Staat zu reformieren, doch hatten die geführten Kriege, die finanziellen Einbußen und die neuen Herausforderungen diese Bestrebungen torpediert.

Salt gibt im dritten Kapitel einen Überblick zum Ersten Weltkrieg und den Auswirkungen des Krieges auf die Zivilbevölkerung. Er beschäftigt sich mit der Flucht, den Unterkünften, die Morde, die Krankheiten und Epidemien sowie die Ansiedlungspolitik. Sein kritischer Blick auf die osmanische Armenierpolitik bietet einen umfassenden Überblick in diese umstrittene Thematik.

Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit der Kaukasuspolitik der jungtürkischen Führung bis zur Gründung der Republik unter Mustafa Kemal Pascha. Dabei gibt er auch eine Abriss in die griechisch-türkischen Beziehungen vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Befreiung von Izmir am 9. September 1922. Seiner Behauptung vom „population exchange of ethnic Greeks from Ottoman lands and ethnic Turks from Greece“ (S. 310) muss widersprochen werden, da der Bevölkerungsaustausch auf Grundlage der Religionszugehörigkeit durchgeführt wurde, sodass türkischstämmige orthodoxe Christen nach Griechenland und muslimische Slawen in die Türkei auswandern mussten.

Das Buch ist gut strukturiert und bietet auf Grundlage des aktuellen Forschungsstands einen wichtigen Überblick in die letzten Jahrzehnte des Osmanischen Reiches. Die imperialistischen Bestrebungen der europäischen Großmächte und ihre Unterstützung für die nationalistischen Interessen der christlichen Minderheiten zur Gründung von Nationalstaaten sowie die aktive Politik zur Zerschlagung des Osmanischen Reiches und die damit verbundene Vertreibung und Vernichtung der osmanisch-muslimischen Existenz auf dem Balkan und dem Kaukasus wird umfassend beschrieben. Das Buch basiert nicht auf eigener Quellenrecherche, sondern vereint die derzeitige Sekundärliteratur mit gedruckten Quellen. Türkischsprachige Literatur wird kaum herangezogen. Da sich das Buch insbesondere mit dem Leid der unterschiedlichen ethno-religiösen Gruppierungen, mit einem besonderen Augenmerk auf die osmanischen Muslime beschäftigt, ist es eine hervorragende Ergänzung zu Şükrü Hanioğlus Werk „A Brief History of the Late Ottoman Empire“.

Produktdetails

TitelThe Last Ottoman Wars: The Human Cost, 1877-1923
ISBN978-1-607-81704-8
Erscheinungsdatum25.10.2019
Umfang432 Seiten
Preis40 €
GenreGeschichte, Erster Weltkrieg, Osmanisches Reich
FormatBuch
VerlagUtah University Press
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